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Demokratie

Volksherrschaft hat viele Gesichter: ein diskursives, ein identitäres, ein legitimes, ein illegitimes. Oder sind alle nur Masken? Eine Bestandsaufnahme.

Wien (19. Mai 2019) – In einer entwickelten Demokratie herrscht das gebildete und vollständig informierte Volk. Diese Bevölkerung wählt aus vielen verschiedenen Kandidaten einen Präsidenten und Abgeordnete zum Parlament. In direkter, freier, gleichberechtigter und geheimer Wahl. Danach ernennt der gewählte Präsident jene Regierung, die er vor der Wahl vorgestellt hat. Das ist Allgemeinwissen.

Im Parlament diskutieren die Volksvertreter sodann Gesetze und beschließen sie. Mit deren Umsetzung ist die Regierung betraut. Überwacht wird das gesamte Konstrukt von der Justiz, deren Repräsentanten wiederum direkt vom Volk gewählt werden. Mit einem Wort: Tadellose Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative.

Gewaltenteilung. Unverständlich? Realitätsfern?

Möglicherweise – und vielleicht mit ein Grund, warum diese ideale Demokratie seit der Antike ihrer Verwirklichung harrt. Auch in Österreich. Stopp! Falsch. Hierzulande wählt die Bevölkerung ja aus ihren Reihen einen Präsidenten und ein Parlament. So weit, so gut. Alles in Ordnung.

Leider nicht! Denn mit diesen beiden Wahlen endet die entwickelte Demokratie bereits. Der Präsident erteilt jener Person – einem/einer Parteivorsitzenden - den Auftrag zur Regierungsbildung, von der er annimmt, daß sie eine Mehrheit im Nationalrat hinter sich hat. Unser Bundespräsident schlägt die Regierung keineswegs vor. Die Mitglieder der Regierung werden ihm vorgeschlagen, in diesem Fall von Parlamentsparteien; und diese Regierung lobt er dann auch an. Manchmal mit Abstrichen oder mit versteinerter Miene. Aber er lobt sie an.

Ziegenbock Just chaos - Turkomen Markhor

Parlamentsmehrheit bildet Regierung

In der Regel stellt die Parlamentsmehrheit die Regierung. Exekutive und Legislative sind damit de facto nicht getrennt. Der Gärtner ernennt quasi den Ziegenbock zum Hüter der saftigen, grünen Blätter. Eine Tatsache, die durch Kontrollrechte für die Parlamentsminderheit gemildert werden soll. Tatsächlich aber ist Gewaltenteilung nicht gegeben und die Demokratie demzufolge unterentwickelt.

Der Dritte im Bunde

Das gilt auch hinsichtlich der dritten Staatsgewalt: der unabhängigen Justiz. Anstatt dem verfassungsgemäßen Souverän, also dem Volk, zu ermöglichen, Richter direkt und auf Zeit zu wählen, erfolgt die Zulassung von Bewerbern zum Richteramtsanwärter durch den Justizminister [Regierung] auf Vorschlag des Präsidenten des Oberlandesgerichts [Justiz]. Ernannt wird der fertig ausgebildete Richter vom Bundespräsidenten bzw. Justizminister. Regierung und Justiz teilen sich also die Gewaltenteilung. Praktisch, oder?

La Le Lu, nur der Mann im Mond schaut zu

Via Presseförderung oder Gebühren finanzierte Massenmedien geben dem Volk, wonach es angeblich wirklich lechzt: Sensationen am laufenden Band. Brot und Spiele. Und so bleibt den schlecht und falsch Informierten kaum mehr, als mit heraushängender Zunge der Illusion nachzuhecheln, sie lebten in einer besseren Welt, in der sie mehr als nur ein Wörtchen mitzureden hätten. Ein schöner Traum. Dann läutet der Wecker, und man erwacht – in der real existierenden Demokratie.

Der Große Bruder liebt Dich. Sagt er. Warum sollte er lügen?

PS: Richtigstellung: Der irrtümlich Winston Churchill zugeschriebene Satz "Die Demokratie ist die Herrschaft der Unfähigen über die Desinteressierten" stammt in Wirklichkeit aus dem Theaterstück Das 20. Jahrhundert – und das hat mit der Realität nichts zu tun. Die Redaktion distanziert sich vollinhaltlich. Sicher ist sicher.

Foto: Just chaos - Turkomen Markhor

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