asdf
zeitung > aktuell > Streaming to Heaven

Streaming to Heaven

Die ganze Welt ist Dein Publikum. Du kannst es schaffen! Alpha Beta Omega

Dereinst frug sich ein zweifelnder Denker: Führt absolute Kommerzialisierung zum Untergang der Kunst? Zu Industrie-Musik mit geplanter Obsoleszenz, als Wegwerfprodukt mit Verfallsdatum?

Papperlapapp, antwortete sein Schatten. Lasset uns verkaufen auf Teufel komm’ raus. So machen es doch alle. Ist der Leibhaftige nicht unser bester Freund?

Doch dann, es begab sich vor dem Jahr Null, zog ein heller Stern über das Firmament, uns den Weg zu weisen auf der Suche nach dem Messias. Da ward das kleine www geboren als heilige Drei­einigkeit. Erlöse uns von dem Übel. Kaum war das WWW größer geworden, schon verhieß es uns den direkten Zugang zum Paradies, zum Publikum der ganzen Welt, fast ganz ohne Vorbedingung – »Nur durch mich könnt ihr zum Server kommen« – und ohne Filter. Gehet hin, und werdet Stars. Alle!

Haltet ein! Womöglich sind das nur gemachte Nachrichten, vorfabriziert nach allen Regeln des Für-Dumm-Verkaufens. Der Stern war noch nicht verloschen, da sprach ein Weiser aus dem Morgenland in einer Versammlung von Lichtproduzenten eindringlich mahnende Worte: »Wir haben eine Situation, in der es insbesondere für junge und ungewöhnliche Künstler extrem schwierig bis unmöglich geworden ist, Leute zu finden, die langfristig in ihre Karriere investieren.«

Sein Name war Mark Chung. Der ward im Jahr des Herrn 1957 in einem Binsenkorb im Engeland gefunden und erstaunte nun seine Brüder und Schwestern: »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch. Viele der Ver­sprechungen aus dem Onlinebereich werden sich schon bald als leer erweisen!«

Später flüchtete der kleine Mark mit seinen Eltern vor dem Tetrarchen Herodes Antibaß nach Ägypten, heute Deut­schland, spielte selbst den Baß und ward Zimmermann bei den Einstürzenden Neubauten, gründete 1994 einen Musikverlag und diente ab 1996 in London neun Jahre dem SoNie Music Ententrainment.

YourSelf kommt zu den Erdenmenschen

Mit dem Gebot Brotkast YourSelf von Chad Hurley, Steve(n) Chen und Jawed Karim im Kalif.at Ornien 2005 gegründet, wurde die Gebetsplattform nur zwölf Monate später um Milliarden Sesterzen an den Erzengel(?) Gug-El verkauft. Damit war die Transsubstantiation in ein gottgefälliges Geschäftsmodell vollzogen. Künstler und deren Anhänger stellten immer mehr Werke gratis ins Wolkennetz, die Gewinne aus Lobpreis, Mission und Werbung wurden in höhere Sphären entrückt. YourSelf behielt sich sogar vor, emporgeladene Glaubensinhalte weiterzuverkaufen oder zu lizenzieren.

»Wir haben einen massiven Interessenkonflikt zwischen Unternehmen, die an der Verbreitung von Inhalten verdienen, ohne in die Produktion zu investieren und ohne Künstler und Produzenten zu beteiligen einerseits und uns, den Künstlern und Produzenten, die diese Inhalte herstellen andererseits«, warnte Mark Chung. Doch viele verschlossen ihr Herz – sei es aus Habgier oder aus Angst, den Weg ins Paradies zu verfehlen.

Im Namen des Herrn brannte Gug-El drei Gesetze mit kaltem Feuer in weißen Marmor, und sein Hohepriester Jonathan Rosenberg legte diesen auf den Altar des Tempels. Erstens. Du, Anbieter von Inhalten, sollst Dein Geschäftsmodell auf ‚umsonst’ umstellen, sonst kommen zweitens sieben Plagen der Urheberrechtspolitik über dich. Drittens. Du sollst dich besinnen und uns jene Anbetung zuteil werden lassen, die uns zusteht.

Und siehe! Alle Rechtgläubigen folgten willig. »Wir sind jetzt mit unserer himm­lischen Magie an einem Punkt, an dem wir wirklich den gesamten politischen Diskurs auf Erden verändern können, wenn wir das wollen«, jubilierte Gug-Els Diener Eric Schmidt 2010, und der Schriftgelehrte Amit Singhal verkündete: »Gug-El ist der größte Königsmacher auf der Welt.«

Tatsächlich beeinflußt der Marktführer seit einigen Jahren auch die politische Meinungsbildung, beispielsweise über spezielle Engel [Cupidi] im Bereich der Netzpolitik. Die einen beten, die anderen arbeiten.

Den Löwenanteil der Gewinne behält die Hohe Priesterschaft selbst. Sicherheitshalber. Das war und ist der Lauf der Welt immerdar. Zu den Gewinnern zählen aber auch Geldwechsler, Internetprovider und Internetprogrammanbieter. Letztere kassieren für ihre Predigtdienste und Streaming-Abos. Urheber- und Leistungsschutzrechte gehören den Himmlischen. Ewiglich. So sprach Bischof Borstewitz von der Church of YourSelf Deutschland bereits vor neun Jahren: »Der Schutz von Urheberrechten ist uns ein sehr wichtiges Anliegen, und die YourSelf-Glaubensbe­dingungen untersagen klar jede Form der Urheberrechtsverletzung.«

Engelsgesang und Lichterscheinungen

Mit ContentHeidi habe YourSelf ein hoch­wirksames (Beicht- und Ablaß)System entwickelt, mit dessen Hilfe Rechteinhaber ihre Ton- und Lichtspiele auf YourSelf automatisch identifizieren lassen könnten. Ein Rechteinhaber könne dann frei entscheiden, ob er so gefundene Werke ins Nirwana eingehen oder für heilige Werbung freischalten läßt, um mit seinem Inhalt auf [und für] Your­Self zusätzliche Einnahmen zu generieren – unabhängig davon, wer die auf diese Weise erkannten Aufnahmen in den Äther geladen hat.

Soweit die Worte der Lesung

Wir Unwürdige, welche die Musik von Gott dem Allmächtigen empfangen und durch Ihn in uns [und auch für uns] aufgenommen haben, verhüllen unser Antlitz vor dem Schöpfer des Himmels und der Erden. Gug-El unser im Himmel, vergib uns unsere große Schuld, wie auch wir vergeben unseren Peinigern. Denn Dein ist YourSelf und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.


PS: Wovon wir bis zur Durchsetzung unserer Ansprüche mittels der satanischen EU-Richtlinie leben sollen, ist nicht wichtig. Unser Ziel ist das himmlische Paradies. Abgerechnet wird nicht jetzt. Abgerechnet wird am Schluß. Am Ende aller Tage. Mit allen. pps

Zum Nachschauen und -hören: Also sprach Mark Chung

Diesen Beitrag teilenFacebookTwitterLinkedInDruckenXingPinterest

Ihre Meinung zu diesem Thema





Kommentare werden geladen...

Die Musikergilde

Unsere Partner

logo_akm.png
logo_oestig2.png
logo_sosmusikland.png
© 2024 Musiker-, Komponisten- und AutorenGilde