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Also sprach Georg Danzer

Reden wir zuerst einmal nicht über Georg Danzer, lassen wir ihn selbst zu Wort kommen. Hier ein Auszug aus seinen Beiträgen auf diesen Seiten.

Georg Danzer, 13.02.2002, 11:14

Wir Einzelkinder

Grundsätzlich muß man wissen, worüber man reden will. Redet man über Kunst oder übers G'schäft?

Ö3 begann mit dem Anspruch, Kunst sein zu wollen, ein innovatives Experiment, ein Gegenkonzept zum gräßlichen Schlageralltag. Eine Heimat für das Andere. Ö3 war oft sperrig, spielte ohne Weiteres 20 Minuten am Stück Iron Butterfly. Ohne Gelaber dazwischen. Heller interviewte Frank Zappa, der sich in seinen Antworten auf ein ostinates "Yes" beschränkte.

Das war lustig und ist lange her. Heute ist Ö3 ein Geschäft. Da wird das Geld verdient, mit dem unter anderem Ö1 finanziert wird. Und zwar durch die Werbung. Die ist eigentlich das Schlimmste, aber - das Wichtigste im Bezug auf die Einschaltquote und somit auf das Geschäft. Die Werbung macht - vereinfacht gesagt - das Programm. Offenbar trifft dieses aber genau den Nerv einer Ö3-Gemeinde, die den "Schuh des Manitu" als besten Film aller Zeiten bewertet und beim Euro-Quiz nicht einmal Orwells 1984 errät.

Die ModeratorInnen versuchen mittlerweile verzweifelt, ihr Alter, ihre Bildung und ihren IQ zu vertuschen, damit die HörerInnen (zwischen 15 und 49) nicht mißtrauisch werden. Ich bin 55 und froh, dass es Ö1 gibt.

Ö3 sagt uns, dass das Leben ein Hit ist und gleichzeitig, daß sie die Hits spielen. Wenn man polemisch sein will, könnte man daraus pseudo-logisch ableiten, dass Ö3 also täglich viele Leben spielt. Zumindest aber spielt es mit den Innenleben seiner HörerInnen. Denn wer sich nur von Hits ernährt, verkümmert geistig und bekommt seelische Mangelerscheinungen. Er fährt auf einer inneren Einbahnstraße und übersieht schließlich jede mögliche Abzweigung.

Tatsächlich verströmt Ö3 in seiner Gesamterscheinung genau jenen österreichischen Mief, gegen den es mit seinem Musikprogramm zu Felde zu ziehen meint. Sprachlich gibt man sich national (Supa, 130 Stunden Schifoan!!!), musikalisch geriert man sich international. ("Hello, this is Madonna, I love Uuh Dry!")

Dass Ö3 kaum die alten oder auch neueren österreichischen Produktionen spielt, ist ihm andererseits dennoch schwerlich zu verübeln. Das, was vor 30 Jahren als Austro-Pop begonnen hat, war einmal in, ist heute allerdings mega-out. Der Dialektgesang entstand damals aus der "alternativen" Jugendsprache und war ein identisches Erkennungszeichen. Die heutige Jugend Österreichs hat damit nichts mehr am Hut. Und das ist gut so. Denn seit der Dialekt hauptsächlich für die Baumax-Werbung und dergleichen herhalten muß, möchte man diese Sprache nicht auch noch in der Popmusik hören. Das versteh ich, das seh ich ein.

Also, Jungs und Mädels 2002, lernt und singt Englisch was das Zeug hält, verbiegt Euch, verstellt Euch, verkrümmt Euch, seid nicht Ihr selbst, seid wer anderer... Erst wenn man Euch nicht mehr erkennen kann wird man Euch anerkennen. Wo seid Ihr, ihr österreichischen Eminems und Anastasyas? Befruchtet endlich den brachliegenden österreichischen Austropopboden. Dann werden vielleicht wieder mehr "ins Format passende" CDs produziert. Die im Radio spielen Euch dann zwar noch immer nicht, weil irgend eine Ausrede läßt sich allerweil finden, aber der DJ Ötzi hats ja auch so gepackt. (Der einzige österreichische Superstar seit Falco, den man ja erst wieder nach seinem Tod zu spielen begonnen hat.)

Drum seid nicht enttäuscht, wenns trotzdem auf Ö3 und auch anderswo bei den sogenannten "Freien" nicht klappt. Wie heißt es doch bei uns so schön, wenn was eher a bisserl oasch is? "Des is ned von weit her!"

Und wir hier in Ö. sind nun eben mal nicht von weit her, sondern von ganz nah und da. Wir lassen uns von uns nicht täuschen, wir können uns und einander nix vormachen. Wir sind wie Einzelkinder, die mit Einzelkindern nicht spielen wollen, weil sie instinktiv spüren, dass Einzelkinder eigentlich im Grunde ihres Wesens arme, kleine, verzogene Arschlöcher sind. Und deshalb haben wir einen schönen, fetten Minderwertigkeitskomplex. Wir wollen nicht Mitglied in einem Club sein, der Leute wie uns aufnimmt. Um das zu erkennen, braucht man nicht Erwin Ringels "Die österreichische Seele" gelesen zu haben.

Georg Danzer



Thomas Laab, 13.02.2002, 21:31

Lieber Georg,
vor 30 Jahren war ich 9, also ein Fan der ersten Stunde, besonders von Dir. Auch Deinem Beitrag möchte ich vollinhaltlich zustimmen. Es enttäuscht mich allerdings ein wenig, daß jemand, der der Vater vieler österr. Misikschaffenden sein könnte, für seine musikalischen Kinder keinen besseren Rat parat hat, als sich bis zur Unkenntlichkeit zu verstellen um dann erst Recht erfolglos zu bleiben. Der Rat von Jemandem, der mit den "schmutzigen Liedern" derartigen Mist produziert hat, dass sich vermutlich nicht mal die Produktionskosten einspielen, dafür aber mit A3 durch die Lande zieht und gleichzeitig angibt, Ö1-Fan zu sein. Für mich der Widerspruch schlechthin!" Mit vollen Hosen ist leicht stinken", wissen wir natürlich, aber für einen der Großen im österr. Musikgeschäft ein bißl zu wenig. Es wird mich aber nicht davon abhalten, weiterhin "meinen" Georg Danzer gerne im Radio und div. Tonträgern zu hören.

Günther Wildner, 14.02.2002, 08:21

der orf soll beginnen, österreichische musik zu spielen, die nicht von den majors kommt (und bitte mal absehen vom leidigen vertriebsargument!). wenn das läuft, werden die großem firmen auch wieder österreichische themen angreifen, die nicht vollkommen international verstümmelt sind. dazu braucht es bereitschaft und handeln - beides fordere ich ein. es gibt keinen anderen weg. ausreden gelten nicht.


Georg Danzer, 14.02.2002, 11:14
Lieber Thomas Laab,
wenn Du "Deinen Georg Danzer" schon so gut zu kennen glaubst, sollte Dir eigentlich die beißende Ironie (um mal einen ganz abgelutschten, plakativen Terminus zu gebrauchen) meiner Zeilen nicht entgangen sein.

Aber bitte, wenn Du es ganz genau wissen willst: Natürlich rate ich niemandem ernsthaft, sich bis zur Unkenntlichkeit zu verstellen. Es ist nur genau das, was ohnehin schon größtenteils passiert. Junge österreichische Mädchenbands klingen da deckungsgleich wie ihre englischsprachigen Vorbilder und werden dann dafür gelobt: "Auch so kann eine österreichische Produktion klingen! "

Und wenn schon nicht Englisch, sondern Deutsch gesungen wird, dann klingt Österreichischer Hip Hop stark nach Fanta 4 oder Fettes Brot. Man soll offenbar möglichst nicht hören, daß es sich um eine österreichische Produktion handelt. Nestroy hat dieses Thema in seinem Talisman sehr gut abgehandelt.

Bis auf einige Ausnahmen mangelt es an jener erkennbaren Identität, die zu vermitteln den Italienern, Franzosen oder Spaniern anscheinend so leicht fällt.

Dieser Umstand ist in gewisser Weise auch auf die Globalisierung zurückzuführen. Wir unterwerfen uns dem Diktat derer, die den Markt beherrschen. Wir tragen ihre Jeans, fressen ihre Hamburger, saufen ihr Cola, gehen in ihre Filme, spielen ihre Musik und äffen sie klanglich nach. Es bleibt uns im Moment wohl auch nichts anderes übrig, wenn wir im Format-Radio gespielt werden wollen. Wenn nicht, dann können wir machen, was uns gerade so einfällt. Dabei kommt manchmal auch was Gutes raus, nur hören es dann leider wenige.

Wenn Du mich für einen der Großen im österr. Musikgeschäft hältst, so ehrt mich das, aber da täuscht Du Dich leider. Auch ich werde kaum bis gar nicht im Radio gespielt und habe mich sozusagen in die Kleinkunst gerettet. So voll ist mein Hose nämlich nicht, daß ich von meinen Ersparnissen leben könnte. Ich muß arbeiten, um leben zu können - und das ist gut so.

Warum A3 und Ö1 einen Widerspruch schlechthin darstellen sollen, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Darf man keinen intelligenten Sender hören, wenn man mit A3 durch die Lande zieht? Was meine "schmutzigen Lieder" betrifft, so muß ich Dir sagen, dass ich von diesem "Mist" mehr als von den vorangegangenen, "seriösen" Produktionen wie z.B. "Atemzüge" verkauft habe. Ich will nicht sagen "leider", aber ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Zu Günther Wildners Anregungen kann ich nur feststellen, dass er völlig recht hat. Auf FM4 wird das zum Teil auch versucht, aber bis jetzt sehe ich keine oder kaum Reaktionen von Seiten der großen Firmen. Das Problem ist, daß Österreich ein so kleines Land ist und es daher wirtschaftlich wenig Sinn macht, geschmackliche Minderheiten zu bedienen. Es lohnt sich ja oft noch nicht einmal der mainstream wirklich. Und das Hauptproblem bleibt nach wie vor, dass wir nicht wirklich stolz sind auf unsere eigenen Leute. Wir machen sie nieder. Selbst wenn sie in Amerika die Nummer eins sind, werden sie daheim sicherheitshalber und aus Neid zugeschissen.

Obwohl ich immer ein Gegner der Quote war und sie mir persönlich auch nix bringen würde, glaube ich, dass es, schon in Anbetracht der Tatsache, dass das angestrebte Nulldefizit uns in die höchste Steuerbelastung innerhalb der EU geführt hat, Zeit wird, sie (die Quote) einzufordern.

Wenn Frankreich das tut, warum dann nicht auch wir? Es kann nicht angehen, dass so viel Geld, das wir im Inland dringend brauchen könnten, ins Ausland abgeführt wird. Dann wird sich der Markt auch wieder beleben, weil mehr investiert wird in österr. Produktionen. Dann wird die Qualität steigen und damit auch die Akzeptanz von Seiten des Publikums. Aber ohne "Starthilfe", so fürchte ich, kriegen wir den Motor nicht mehr zum Laufen.

Georg Danzer

Fotos vom Konzert in der Wiener Stadthalle am 16. April 2007: Dietmar Lipkovich

PS: Alle obigen Texte stammen aus Leserbriefen zu einem Artikel, der aufgrund des Umbaus unserer Internetseiten nicht mehr abrufbar ist. pps

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